Elex im Test – Piranha Bytes bestes Rollenspiel seit Gothic 2?
Die Zeit des Wartens ist vorbei: Nach über 3 Jahren erscheint endlich Elex, Piranha Bytes neues Rollenspiel. Nach der Gothic- und Risen-Reihe erschafft Piranha Bytes mit Elex ein neues Universum, das auf die Bezeichnung Science-Fantasy hört. Auch soll Elex ihr größtes und bestes Rollenspiel überhaupt sein. Doch wie gut ist Elex wirklich? Kann es die hohen Erwartungen erfüllen? Wir haben insgesamt über 100 Stunden die PC-Version gespielt, um genau das für euch herauszufinden.
Von Ravenhearth und Tschlompf
Noch zu Beginn ist Jax, der auch die „Bestie von Xacor“ genannt wird, ein gefürchteter Commander der Albs, einer Gruppierung, deren Anhänger durch permanenten Elex-Konsum enorm stark, aber auch emotionslos geworden sind, und die alle freien Menschen unterjochen wollen. Dann wird sein Gleiter abgeschossen und sein Vorgesetzter Kallax lässt ihn für sein Scheitern exekutieren. Jax überlebt knapp, verliert durch den Elexentzug jedoch seine Kräfte, außerdem wird seine Ausrüstung gestohlen. Er schwört auf Rache, und so beginnt ohne Umschweife wie Charaktererstellung ein 50-70 stündiges Abenteuer in dieser offenen Welt, die geprägt ist vom Elex - die Substanz, die durch einen Meteor vor 160 Jahren auf den Planeten Magalan kam.
Schnell wird nach dem holprig inszenierten Einstieg klar, dass Jax sich einer der drei großen Fraktionen der freien Menschen anschließen muss, die sich nach der Katastrophe heraus gebildet haben, um an Ausrüstung und neue Fähigkeiten zu kommen: den Berserkern, Klerikern oder Outlaws, die jeweils eine der fünf großen Regionen der Spielwelt für sich beanspruchen. Zu Beginn trifft man auf den Berserker Duras, der einen in die Siedlung Goliet begleiten möchte. Dank der von Beginn an komplett begehbaren Welt kann man jedoch auch alles stehen und liegen lassen und sich auf eigene Faust durchschlagen – sofern man stark genug ist.
Das ist jedoch gar nicht so einfach, denn Elex schraubt den Schwierigkeitsgrad gegenüber Risen 3 wieder deutlich an, nicht nur am Anfang enden Ausflüge schnell tödlich. Schon auf „Normal“ ist das Spiel fordernder als Risen 3 auf „Ultra“. Und selbst gegen Ende des Spiels ist man zwar extrem stark, aber nicht so übermächtig wie in Piranha Bytes letztem Spiel, auch weil man es mit besonders dicken Widersachern zu tun bekommt, mit denen die Welt bei Kapitelwechseln neu bevölkert wird. Auch übermäßig reich wird man nicht mehr so einfach, richtige Schätze sind in der Welt nun spärlicher verteilt, stattdessen liegen überall kleinere Items (auch tolle Easter-Eggs gibt es), oft muss man sich mit einem Trank oder ein paar Elexit-Splittern zufrieden geben. Daher ist es eine gute Idee, sich früh einer der schützenden Gemeinschaften anzuschließen. Und das bedeutet: Quests, viele Quests.
Der erste NPC, auf den Jax trifft, ist Duras. Der Berserker kann einen nach Goliet bringen.
Elex bietet fleißigen Abenteurern eine schiere Unmenge an Nebenquests, von denen die meisten in den vier großen Siedlungen zu finden sind, aber auch einige im Umland. Wer wirklich alle verfügbaren Nebenaufgaben erledigen möchte, bevor er sich einer Fraktion anschließt, wird locker 30 Stunden beschäftigt sein – zu diesem Zeitpunkt war das erste Risen bereits so gut wie vorbei. Nötig ist das jedoch nicht, hat man genug Aufgaben für eine der Fraktionen erledigt und tritt dieser bei, kann man die anderen Aufgaben später immer noch erfüllen.
Doch nicht nur die Quantität ist bei Elex noch höher, auch das Niveau bei Dialogen und Nebenquests hat sich deutlich gesteigert. Viel öfter kann man nun entscheiden, wie man auf das Gegenüber reagiert, was andere Gesprächsoptionen natürlich ausschließt. Einen separaten Silberzunge-Skill gibt es nicht mehr, stattdessen eröffnet Jax‘ Wissen in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Handwerk neue Dialogoptionen. [Kampf 4] hinter einer Dialogoptionen bedeutet, dass man im Zweig Kampf vier Lernpunkte investiert haben muss, um diese Option auszuwählen. Belohnt wird man mindestens mit Erfahrungspunkten, desöfteren kann man so auch Kämpfe vermeiden oder sich den Einsatz von Splittern sparen.
In den meisten Nebenquests besteht die Chance einer Entscheidung, oft zu gunsten oder ungunsten einer bestimmten Fraktion, mit entsprechenden Konsequenzen. Die Konflikte zwischen den Fraktionen werden also innerhalb der Quests spürbar. Komplett verbauen kann man sich den Zugang zu einer Fraktion unserer Erfahrung nach aber nicht. Und selbst wenn eine Quest mal aus einem simplen "Töte dies" besteht, wird dies immerhin in interessante Geschichten verpackt. In Abessa, der Kuppelstadt, in der alle Fraktionen aufeinander prallen, kann man durch Quests sogar darüber entscheiden, wer die Stadt in Zukunft führen soll - das Risiko einer gewaltsamen Rebellion in Kauf nehmend. Auch gibt es viel zu lesen, in Dokumenten erfährt man mehr über einige Charaktere und den Hintergrund der Welt.
Eine Beispielquest aus dem Spiel, die eine Entscheidung und deren Konsequenzen in den Mittelpunkt stellt (Spoiler für diese Quest).
Hinzu kommt, dass die Welt in Elex deutlich rauer und erwachsener geworden ist, und damit ist nicht die vordergründige Fäkalsprache und „Volles Pfund aufs Maul“-Mentalität gemeint, sondern der tatsächliche Inhalt. Bunte Piratenwelt und Gnome sind Geschichte, die Welt von Elex ist von wirklich zwielichtigen Gestalten bevölkert, Mord steht beinahe an der Tagesordnung, es werden Themen wie Völkermord und Kannibalismus angesprochen, auch Quests erlauben oft brutale Lösungen – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das Science-Fantasy-Setting funktioniert wunderbar und man merkt dem Spiel den kreativen Esprit an. So erwachsen wie beispielsweise in The Witcher 3 kommt die Welt dann aber doch nicht daher, Elex erreicht nicht dessen sozialkritisches Niveau und gibt sich auch bei Themen wie der Sexualität deutlich zugeknöpfter.
Und was macht man in einer Stadt? Klauen natürlich! Dafür bietet Elex einige Verbesserungen: Das Schlösserknacken funktioniert prinzipiell wie auch schon in Risen 2 und 3, allerdings kann der Dietrich nun abbrechen, was den Anspruch dezent erhöht. Besser gelungen ist der neue Taschendiebstahl, der nicht einfach nur eine langweilige Dialogoption ist. Für einen erfolgreichen Taschendiebstahl muss Jax sich nämlich zuerst von hinten an ein Opfer anschleichen, ohne dabei gesehen zu werden, und kann dann in einem aufploppenden Fenster ein Item aus dessen Inventar mopsen. Die Reaktionen auf Diebstahl sind dieses Mal konsistent, alles funktioniert wie es soll.
Allerdings hält das System auch Irritationen bereit, denn wird man erwischt, wird man gleich angegriffen und getötet, anstatt nur niedergeschlagen und zum Chef der jeweiligen Fraktion gebracht. Nur wenn man es schafft zu fliehen und zurückzukehren, fordert der Anführer eine Strafe vom Helden. Kommt man den Aufforderungen nicht nach, ist einem erst nur der Handel untersagt, bei hohen Strafen werden sogar Kopfgeldjäger losgeschickt. Da die meisten Spieler aber wohl sterben, wenn sie gesehen werden, oder einfach neuladen, ist dieses System nicht so sinnvoll wie es hätte sein können. Außerdem kann man Gegner nicht mehr nur niederschlagen, sondern tötet sie gleich (außer bei Duellen).
Die detailreich gestalteten Landschaften sind ein Highlight des Spiels.
Schnell wird man durch die Quests auch wieder aus den Siedlungen hinaus geschickt, und dazu angehalten, die Welt zu erkunden. Spätestens jetzt fällt auf, dass Elex wirklich riesig und ganz klar Piranha Bytes größtes Spiel ist. Auch nach 10 Stunden hat man das Gefühl, nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. Und dennoch ist die handgebaute Welt mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Wälder, Wiesen und Gewässer gehen sehr natürlich ineinander über, hinter jeder Ecke befindet sich ein Gegner, etwas zum Aufheben oder einfach nur eine tolle Aussicht. Wir haben das Radar sogar ganz deaktiviert und uns nur mithilfe der Spielwelt und der Weltkarte orientiert - eine willkommene Abwechslung zu The Witcher 3 oder Horizon Zero Dawn, wo man zumindest in der Standardkonfiguration mehr damit beschäftigt ist, der Minimap bzw. Navigationshinweisen nachzulaufen, als die Welt aktiv zu erkunden. Keine Fragezeichen auf der Karte weisen einen auf interessante Orte hin. Das Spiel fordert die Bereitschaft, sich mit der Welt auseinanderzusetzen, und belohnt Erkundungsdrang dann auch. Falls man trotz der Beschreibungen einen Ort mal nicht findet, kann man sich diesen auf der Karte markieren. Das ist ebenfalls nötig, wenn Charaktere einen Standort schlicht in den Adjutor übertragen - das gute alte "Ich zeichne es dir auf der Karte ein".
Die nun zusammenhängende Welt kommt der Immersion außerdem sehr zugute. Davon abgesehen ist man desöfteren gezwungen, in bereits besuchte Gebiete zurückzukehren und kann darum die Regionen nicht einfach nach und nach abklappern und dann nie wiederkommen. Die Vernetzungen zwischen den Arealen sind also besser. In den Städten herrscht außerdem viel Leben, Bewohner laufen umher und gehen ihrem Tagwerk nach und die Tavernen sind abends sogar voll. Durch die Wildnis streifen Händlerkarawanen und Monsterhorden, die sich manchmal begegnen und dann gegeneinander kämpfen. Im Vergleich wirken die Welten anderer PB-Spiele statisch. Elex ist ein sehr atmosphärisches Spiel, in dem das einfache Erkunden und Wandern schon Spaß macht.
An die Dichte und Intimität einer kleinen Welt wie bei Gothic 1/2 oder Risen 1 kommt Elex allerdings nicht heran, die Spielwelt ist wesentlich weitläufiger und geht in diesem Aspekt eher in Richtung des Mittellandes aus Gothic 3 – das wird nicht jedem gefallen. Für einige Spieler wird die Welt mit Sicherheit etwas zu leer an Quests und Charakteren sein. Wir wissen die angenehme Weitläufigkeit jedoch zu schätzen, denn Elex artet nicht in die Gigantomanie anderer Open World-Titel aus. Außerdem wirken die Größenverhältnisse in Elex nun realistischer, und da Gegner einen früher wahrnehmen und weiter verfolgen, ist die Weitläufigkeit auch bitter nötig. Teleporter und Jetpack kürzen zudem Laufwege ab, wirklich öde wird die Erkundung nie. Interessant sind zunächst auch die schwer bewachten Konverter der Albs, die in jeder der Regionen stehen. Mit der Zeit werden diese jedoch etwas repetitiv, da alle gleich aufgebaut sind.
Apropos Jetpack: Das neue Werkzeug fügt sich sehr natürlich in die Erkundung der Spielwelt ein und ist vor allem nützlich, um größere Höhen zu erklimmen, wo sich oft versteckte Items finden lassen. Vorwärtsbewegungen über Abgründe sind jedoch hakelig. Es gibt außerdem einen Glitch, der das Fliegen über große Distanzen ermöglicht: Rüstet man eine Fernkampfwaffe aus und drückt während des Fliegens wiederholt die rechte Maustaste zum Zielen, ist es möglich während des Fliegens die Energie wieder aufzufüllen, und kann so sehr weit fliegen.
Elex bietet auch wieder einen Tag/Nacht-Wechsel, wie hier im Zeitraffer zu sehen. Ein Ingame-Tag dauert 120 Minuten.
„Hakelig“ ist auch ein gutes Stichwort für das Kampfsystem, das zwar eine Verbesserung gegenüber Risen 3 darstellt, da es dank Spezialangriffen und Ausdauer wesentlich taktischer ist, aber nicht an die einfache Direktheit des ersten Risen herankommt. Um wirklich Schaden zu machen, müssen viele Schläge hintereinander sitzen, was aufgrund der Ausdauer schwierig ist. Diese wird nämlich bei allen Aktionen – Schlagen, Blocken, Ausweichen – verbraucht und füllt sich nur auf, wenn der Held nichts tut. Also kommt man oft nicht umhin, den Gegner einfach nur zu umkreisen oder wegzurennen, um nicht getroffen zu werden, was jedoch nicht immer funktioniert. Positiv ist der neue Gegnerlock, durch den man einen bestimmten Gegner immer im Fokus behält. Dann ist es auch möglich, rückwärts zu gehen und Sprünge anstatt Ausweichrollen auszuführen. Der automatische Gegnerlock spielt sich allerdings fummelig, es steht aber auch ein manueller zur Verfügung. Dass Heil- und sonstige Tränke nun wieder mit Animation getrunken werden, wirkt sich positiv auf den Anspruch aus.
Auch das Fernkampfsystem ist nicht perfekt, da es sich einfach nicht so direkt anfühlt wie in anderen Fernkampf-orientierten Spielen. Es ist nicht möglich in Deckung zu gehen, außerdem fehlt es an Trefferfeedback, auch da Gegner durch normale Schusswaffen keine Trefferreaktionen zeigen. Da ist selbst das ebenfalls kritisierte System aus dem 10 Jahre alten Mass Effect besser. Beim Bogenschießen stört, dass man sich die Flugkurve nun nicht mehr mitdenken muss, man zielt einfach und schießt, wobei der Pfeil die nötige Kurve automatisch vollführt, was seltsam anmutet. Positiv ist jedoch, dass in Elex ein klares Gefühl des Fortschritts gibt, einfache Gegner befördert man später mit wenigen Hieben bspw. Schüssen ins Jenseits. Aufgrund der langen Spielzeit dauert es aber einige Zeit, bis es soweit ist, sodass man vor allem auf höheren Schwierigkeitsgraden viel tricksen muss.
Das Charaktersystem in Elex ist im Grunde simpel, aber da viele Talente äußerst nützlich sind und man generell zu wenig Punkte und Elexit (die Währung im Spiel) hat, bleibt man immer motiviert. Das System funktioniert so: Man sammelt Erfahrungspunkte und erhält bei Levelaufstiegen zehn Attributspunkte und einen Lernpunkt. Die Attributspunkte kann man ähnlich wie in Risen 2/3 gleich in Attribute investieren, wobei sich die Punktekosten mit steigenden Werten erhöhen. Mit den Lernpunkten und Elexit kauft man sich bei Lehrern neue Talente, sofern die Attribute stimmen. Dabei gibt es nun weniger Abstufungen, das Talent „Nahkampfwaffen“ bietet beispielsweise nur drei lernbare Stufen, sodass jede neue Stufe den verursachten Schaden jedoch deutlicher erhöht.
Zudem sind alle Waffentypen – egal ob Schwerter oder Äxte – in diesem einen Skill zusammengefasst, das gleiche gilt auch für Fernkampfwaffen und schwere Waffen. Es gibt aber auch ein paar Wermutstropfen: So lehren alle Lehrer eines bestimmten Typs (Kampf, Handwerk, Überleben, etc.) das gleiche, Lehrer die nur bestimmte Talente lehren oder nur bis zu einer gewissen Stufe, gibt es nicht mehr. Auch werden Skills gar nicht mehr erklärt, man kauft sie einfach nur, als würde man ein Item erwerben – ebenfalls schade, waren diese Erklärungen doch immer interessant.
Das Crafting-System in Elex ist umfangreich, findet jedoch ausschließlich im Menü statt.
Auch beim Crafting-System gibt es Änderungen: Das Schmieden von komplett neuen Waffen ist ebenso wenig möglich wie das Zusammenfügen aus Bruchstücken. Stattdessen kann man Waffen nun in maximal drei Stufen aufwerten, wobei sich die Werte ebenso dramatisch erhöhen wie die Anforderungen, denn Waffen setzen nun wieder bestimmte Attribute voraus. Dafür gibt es nun relativ wenige unterschiedliche Waffen, bei einer Hand voll für jede Gattung (z.B. Einhandschwerter) ist Schluss. Dadurch spart und arbeitet man lange auf eine neue Waffe oder auch Rüstung hin, jedes neue Ausrüstungsstück ist ein Erfolgserlebnis.
Auch verzaubern und das Einsetzen von Steinen ist möglich. Davon abgesehen lässt sich Schmuck herstellen, es lassen sich Tränke brauen, Waffen lassen sich zerlegen, und man kann kochen. Dies alles findet an einer Werkbank statt, unterschiedliche Orte für das Schmieden, Tränke brauen etc. muss man nicht mehr aufsuchen. Zudem wird dies alles nicht mehr animiert, sondern findet allein in einem Fenster statt. Das ist für Gothic-Fans ein Rückschritt, auch wenn der Adjutor streng genommen Teil der Welt ist und das Crafting so schneller von der Hand geht. Dinge wie Minispiele abseits des Hackens, Schätze ausgraben oder Verwandlungszauber fehlen in Elex, Piranha Bytes hat sich auf das wichtigste konzentriert.
Dass wir so viel von den anderen Aspekten abseits der Story erzählt haben, hat einen Grund: Wie in vielen anderen Open World-Spielen (auch denen von Piranha Bytes) tritt die Hauptstory vor allem im ersten Drittel in den Hintergrund. Sie spaltet sich schnell in unterschiedliche Aufgaben auf, jedoch verzettelt man sich nicht so sehr wie in Risen 3, da man doch immer ein paar klare Ziele vor Augen hat.
Nach Beitritt zu einer Fraktion und Beendigung des ersten Passus (der neue Name für Kapitel) nimmt die Story dann langsam an Fahrt auf und schickt einen in weitere, immer gefährliche Missionen. Dabei spielt auch die Hintergrundgeschichte des Hauptcharakters eine wichtige Rolle – ein Novum in PB-Spielen. Immer wieder gibt es Flashbacks, die neues Licht in Jax‘ Vergangenheit bringen. Anders als Nekroloth in Risen 3 sind die Albs auch nicht einfach nur ein blasser Gegenspieler, der böse ist, weil er es ist, sondern haben klare Motivationen. Dass die durchaus interessante Story später wichtiger wird, liegt allerdings auch daran, dass in späteren Kapiteln keine neuen Nebenquests dazu kommen – schade.
10 Minuten mit Gameplay-Aufnahmen, die die Erkundung der abwechslungsreich gestalteten Landschaften in den Mittelpunkt stellen.
Wirkliche Dramatik kann die Hauptstory trotz allem jedoch nicht entfalten, was unter anderem an der statischen Inszenierung liegt. Zwischensequenzen sind selten, und meist stehen sich dort Charaktere auch nur steif gegenüber. Zudem wird die wachsende Bedrohung durch die Albs kaum spürbar, da sich die Albs in der Haupthandlung eher passiv verhalten und in späteren Kapiteln nur neue Monster spawnen, aber beispielsweise keine Albs, die sich über Magalan ausbreiten. So etwas wie die Suchenden in Gothic 2 oder die Echsenmenschen im ersten Risen gibt es also nicht. Im Gegensatz zu Risen 3 ist das Ende aber befriedigend. Nach dem Outro kann man zudem weiterspielen, noch einmal mit vielen Leuten reden und offene Quests erledigen.
Auch der Kältewert ist problembehaftet: Erstens wird das System im Spiel nicht erklärt, es bleibt also dem Spieler überlassen, herauszufinden, wie es funktioniert und was es tut. Zweitens ist dadurch auch nicht klar, wie sich das System mit der Lore des Spiels verträgt, denn „kälter“ werden Menschen hier eigentlich durch den Konsum von Elex und nicht dadurch, wie sie sich verhalten. Zudem kann man Elextränke schlucken, die reines Elex enthalten und je nach Variante Erfahrungs-, Attributs-, oder Lernpunkte bringen, aber den Kältewert nicht verändern. Dadurch fühlt sich der Kältewert an wie ein Puzzleteil, das nicht ganz passen möchte. Auch auf den Ursprung der Teleporter wird nicht eingegangen. Positiv ist jedoch, dass sich der Kältewert anders als der Seelenwert in Risen 3 wenigstens auf ein paar Dialogoptionen auswirkt und diese eröffnet bzw. verschließt. Zudem gibt es ein paar Skills, die vom Kältewert abhängen.
Die Grafik ist im Großen und Ganzen gelungen; zwar ist das Art Design der einzelnen Versatzstücke recht generisch, durch die Mischung von Post-Apokalypse, Science-Fiction und Mittelalter-Fantasy schafft das Spiel jedoch, eigene Akzente zu setzen. Außerdem ist das Design der Monster wirklich gelungen. Auch technisch macht Piranha Bytes große Fortschritte: Die Beleuchtung ist dank Global Illumination und Unified Volumetric Lighting modern, die Vegetation wirkt dicht, die Sichtweite ist hoch und die Texturauflösung ist gegenüber Risen 3 enorm gestiegen, pixelige Texturen sind selten. Das dynamische Wetter und der Tag/Nacht-Wechsel sorgen für optische Abwechslung und letzterer wirkt sich auch auf das Gameplay aus. Die neue Wassersimulation führt zu deutlich natürlicheren Flussläufen. Dass sich die Strömung jedoch nicht auf den Helden auswirkt und man Stromschnellen gemächlich emporschwimmen kann, ist dabei ein ärgerliches Versäumnis. Die weiteren Schwächen der Grafik liegen vor allem bei den Animationen, die in Dialogen zwar besser geworden sind, aber trotzdem unzeitgemäß wirken, und bei den NPCs, deren Gesichter und Frisuren sich schnell wiederholen. Auch an den Detailgrad eines Horizon Zero Dawn bei den Umgebungen reicht Elex erwartungsgemäß nicht heran.
Beim Erkunden trifft man oft auf solche toll gestalteten Locations. Hier zum Beispiel ein Leuchtturm an der Küste von Tavar.
Neben der Hauptstory und den Nebenquests bietet das Spiel auch ein paar Fraktionsquests, die erledigt werden wollen, um in den Rängen einer Fraktion aufzusteigen. Diese Quests sind jedoch einfacher gehalten als die oft tollen Nebenquests, wirkliche Entscheidungen werden einem nicht abverlangt – als Mitglied einer Gilde einer anderen in die Hände zu spielen, würde aber auch nicht passen. Dabei bietet jede Fraktion drei Ränge an, die Führung einer der Gruppierungen kann man nicht übernehmen. Stattdessen lässt sich ein Lager finden, welches Jax nach abgeschlossenen Missionen für sich beanspruchen kann und das fortan als Basis für ihn und seine Begleiter gilt. Leider lässt es sich nur sehr rudimentär ausbauen.
Apropos Begleiter – Sieben gibt es an der Zahl, neben dem eingangs erwähnten Duras auch noch die Drohne C.R.O.N.Y. U4, die Outlaw-Braut Nasty, die Magierin Caja und weitere. Mehr wollen wir an dieser Stelle jedoch nicht verraten. Jeweils einen Begleiter kann Jax mitnehmen, der regelmäßig einen Kommentar abgibt und sich auch in Dialoge einmischt, was manchmal sogar den Ausgang von Quests beeinflussen kann. Außerdem reagieren die Begleiter auf viele Taten des Helden und können so sogar zu einem wahren Freund werden – oder einem Erzfeind. Außerdem bieten alle Begleiter individuelle Quests kann und haben oft Geheimnisse, was ihr Profil schärft und sie interessanter macht. Komplett charakterlose Begleiter gibt es nicht mehr, und einige bieten auch mehr als nur einen Wesenszug. Die im Vorfeld angekündigten Romanzen sind allerdings simpel gehalten und kein Vergleich zu Bioware-Spielen.
Ein wenig unlogisch wird es jedoch, wenn man mit Begleiter in Siedlungen spaziert, die Fremden gegenüber eigentlich verschlossen sind, oder zumindest den Anhängern einer bestimmten Fraktion. Erst noch muss ein Kleriker bei den Berserkern inkognito sein, dann spaziert man mit einem Kleriker oder Outlaw im Schlepptau durch Goliet. Es wäre doch interessant gewesen, auch für einen Begleiter erst den Zugang erhalten zu müssen, und wenn es nur ein kurzer Dialog wäre. Ein individuelles Problem verursacht der Begleiter Arx, ein ausgestoßener Alb, mit dem man seelenruhig in sämtliche menschliche Siedlungen spazieren kann, obwohl er die Rüstung eines Albs trägt und auch sonst aussieht wie einer. Hier bekommt die Glaubwürdigkeit der Welt deutliche Risse. Außerdem gibt es vor allem im Zusammenhang mit den Begleitern KI-Aussetzer. Oftmals rennt einer der Begleiter einfach an einem Gegner vorbei, hört mitten im Kampf auf anzugreifen, oder schaut gemächlich dabei zu, wie wir uns mit einem Gegner duellieren. So etwas darf nicht vorkommen.
Es ist möglich, den Begleitern im Dialog einfache Befehle zu erteilen und sie nach ihrem Befinden zu fragen.
Dem umfangreichen Soundtrack von Elex gelingt es fast immer, die Abenteuer des Helden klanglich passend zu untermalen und das Spiel atmosphärisch zu unterstützen. An die Kompositionen von Kai Rosenkranz kommt er jedoch nicht ganz heran, denn wirklich einprägsam ist keine der Melodien. Auch die Soundeffekte wirken manchmal etwas billig und irgendwie überzeichnet. Die Synchronsprecher, von denen viele schon bei Gothic und Risen dabei waren, machen allerdings einen konstant guten Job und schaffen es, den Charakteren Leben einzuhauchen, auch wenn sich einige Sprüche wiederholen.
Probleme gibt es dagegen bei der Bedienung, denn die Tastenbelegung wirkt oft unintuitiv. Die Standardbelegung für „zurück“ ist Backspace, während Escape manchmal doch funktioniert und manchmal nicht. Durch die Zweitbelegung über die rechte Maustaste wird das Problem jedoch entschärft. Allerdings lässt sich diese Belegung nicht ändern, was auch für andere Belegungen wie X und Y gilt. Außerdem ist das Interface sehr zweckmäßig gestaltet und durch das reduzierte Aussehen ist oft nicht mehr allein an den Symbolen erkennbar, um welches Item es sich handelt. Außerdem fehlen Informationen, so ist der Kältewert nicht als Zahl einsehbar, es ist nicht erkennbar wie viele Erfahrungspunkte man genau hat und wie viele bis zum nächsten Level fehlen, die aktuellen Lebenspunkte sind auch nicht einsehbar, ebenso wenig wie beispielsweise der genaue Nahkampfwert, der durch Stärke, Skills etc beeinflusst werden kann.
Und die Bugs? Diese sind in der von uns getesteten Version häufiger aufgetreten als noch in der Risen-Reihe. Dazu gehören Probleme mit der Gegner-KI, unerklärliche Performance-Einbrüche, fehlende Kollisionsabfragen von Objekten, seltene Abstürze, eine Quest die sich nicht beenden ließ, Rechtschreibfehler und weiteres. Diese Fehler traten mit Blick auf die lange Spielzeit jedoch nur selten auf, ein zweites Gothic 3 ist Elex keinesfalls. Außerdem beinhaltete die Testversion nicht den Day-One-Patch.
Meinung von Ravenhearth: Die Liste der kleinen und weniger kleinen Probleme, die Elex plagen, ist lang. Dennoch: Schon nach kurzer Zeit entwickelt das Spiel eine Sogwirkung, die ich bei Piranha Bytes zuletzt vielleicht bei Risen 1 erlebt habe. Und dieser Sog beruht nicht nur auf Sammeltrieb, sondern auch auf der interessanten Welt, guten Quests und dem hohen Schwierigkeitsgrad – viele der wichtigen Punkte sind Piranha Bytes mit Elex sehr gut gelungen. Damit ist Elex für mich klar besser als Risen 2 und 3 und steht sogar knapp über dem ersten Risen. Das macht es zwar nicht zu einem perfekten Spiel, aber zu Piranha Bytes bestem Rollenspiel seit 15 Jahren.
Wertung: 8/10 (gut)
Meinung von Tschlompf: Mit Elex hatte ich während den letzten Tagen so viel Spaß, wie lange bei keinem Rollenspiel mehr. Das Spiel hat mich trotz der kleinen Probleme so sehr gefesselt, dass man gar nicht aufhören will, weiterzumachen: Überall wartet eine Quest, in jeder Ecke ist ein Item versteckt, und es gibt so, so viel zu tun, dass man locker hunderte von Stunden in der rauen Welt umherlaufen könnte und immer wieder etwas neues entdeckt, was man zuvor übersehen hatte. Es ist mal wieder toll, nicht von künstlichen Barrieren in der Welt aufgehalten zu werden, sondern von Monstern, die einen so stark vermöbeln, dass man lieber das Weite sucht, bis man stark genug ist, diese zu bezwingen. Elex ist für mich klar besser als die letzten Piranha Bytes Spiele und mal wieder ein Titel, zu dem ich eine klare Kaufempfehlung für alle, die RPGs dieser Art lieben, vergeben kann.
Wertung: 9/10 (sehr gut)
Pro | Contra |
+ Interessantes Setting | - Holpriger Einstieg |
+ Solide Story | - Statische Cutscenes |
+ Gegenspieler mit Motivation... | - ...der passiv bleibt |
+ Ein Held mit Geschichte | - Kältewert wirkt sich wenig aus |
+ Raue, erwachsene Welt | - |
+ Tolle Atmosphäre | - Ein paar Bugs |
+ Gute Quests mit Entscheidungen | - Keine neuen Nebenquests in späteren Kapiteln |
+ Gute Dialoge und Sprecher | - Sprüche wiederholen sich |
+ Atmosphärische Musik... | - ... die wenig einprägsam ist |
+ Riesige, offene, abwechslungsreiche und lebendige Welt | - Weitläufigkeit könnte manche Spieler stören |
+ Erstklassiges Leveldesign | - |
+ Erkundungsdrang ohne Minimap und Fragezeichen | - Gewöhnungsbedürftiges Interface, komische Tastenbelegung |
+ 50-70 Stunden Spielzeit | - |
+ Vier größere Städte | - |
+ Entscheidung über Abessa | - |
+ Drei Fraktionen mit Konflikten | - |
+ Fraktionsquests und -ränge | - |
+ Ein eigenes Lager... | - ...das sich kaum ausbauen lässt |
+ Begleiter mit interessanten Geschichten | - Arx schafft Probleme bei Glaubwürdigkeit |
+ Romanzen... | - ...die sehr rudimentär sind |
+ Hoher Schwierigkeitsgrad | - KI-Probleme |
+ Es gibt viel zu lesen | - |
+ Befriedigendes Ende | - |
+ Schlösserknacken, Hacken, neuer Taschendiebstahl | - |
+ Strafen bei Verbrechen, Kopfgeldjäger | - Man wird getötet, anstatt niedergeschlagen zu werden |
+ Konsistente Figurenreaktionen | - Gegner können nicht mehr nur niedergeschlagen werden |
+ Jetpack... | - ...das gewöhnungsbedürftig ist |
+ Verbesserter Nahkampf... | - ...der nicht direkt genug ist |
+ Unterschiedlichste Waffengattungen | - Nah- und Fernkampf sind hakelig |
+ Motivierendes Charaktersystem | - Skills werden nicht mehr erklärt, Informationen fehlen |
+ Umfangreiches Crafting... | - ...ohne Animation |
+ Ansehnliche Grafik | - unzeitgemäße Animationen |
+ Strömung in Gewässern... | - ... die sich nicht auf den Helden auswirkt |
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